Polygamie ist eine Form der Vielehe, bei der eine Person gleichzeitig mehrere eheähnliche Beziehungen führt. Es handelt sich um eine Form der Vielehe, die im Gegensatz zur Monogamie steht, bei der eine Person nur eine einzige eheähnliche Beziehung führt. Beide Formen werden in der Verhaltensbiologie auch bei Tieren untersucht.

Zusammenfassung: Polygamie ist eine Form der Vielehe und der Führung von „gleichzeitigen eheähnlichen Beziehungen“ bei Menschen. Es gibt verschiedene Arten von Polygamie, wie Polygynie (ein Mann, mehrere Ehefrauen), Polyandrie (eine Frau, mehrere Ehemänner) und Polygynandrie (Gruppenehe). Polygynie ist in Kulturen mit viehzüchterischem Hintergrund verbreitet, Polyandrie in einfachen Ackerbaukulturen. Beide Formen setzen voraus, dass eine Person in der Rolle als Familienernährer mehrere Ehepartner hat und wirtschaftlich absichern kann.

Existierende Polygamie in den Regionen der Welt

Polygame Zivilehen sind in der westlichen Welt unzulässig, jedoch können in offen gelebten Ehen Liebesverhältnisse zu mehreren Partnern gepflegt werden. Bigamie, das Eingehen einer zweiten Ehe zusätzlich zu einer bestehenden, ist in Deutschland unzulässig und wird bestraft. Das gesetzliche Verbot der Mehrehe in Deutschland verhindert jedoch nicht ohne weiteres die Wirksamkeit tatsächlich erfolgter weiterer Eheschließungen. In den Fällen, in denen eine Mehrehe zulässigerweise eingegangen wurde, enthält das deutsche Ausländerrecht auch explizite Regelungen zum Ehegattennachzug. Am 29. Mai 2018 urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass eine im Ausland geschlossene Zweitehe einem Einbürgerungsanspruch nicht entgegensteht.

Polygamie in den Weltreligionen

Die großen Glaubensrichtungen des Christentums lehnen die Polygamie ab und deshalb ist sie in den meisten christlich geprägten Ländern verboten oder nicht üblich. Im griechischen Kulturraum, wo sich das Christentum zuerst ausbreitete, war die Polygamie schon lange verschwunden, obwohl Konkubinate mit Sklavinnen weit verbreitet waren. Die christliche Theologie predigte die Monogamie, obwohl einige frühe biblische Patriarchen polygame Praxis hatten. In früheren Zeiten war die Polygamie bei Normannen und anderen Germanen verbreitet, die diese Praxis auch nach ihrer Christianisierung noch jahrhundertelang beibehielten. In christlichen Reformbewegungen spielte die Polygamie immer wieder eine Rolle, wie bei den Wiedertäufern von Münster und bei den Mormonen, die bis heute in einigen Splittergruppen praktiziert wird. In vielen Ländern mit christlichem Hintergrund spielt Polygamie noch eine Rolle, aber in der Regel sind die Polygamisten nicht in besonderen Kirchen oder Gruppen organisiert. Die römisch-katholische Kirche hat sich gegen jede rechtliche Duldung der Vielehe gewandt.

Im Alten und Neuen Testament wird die Polygamie nicht grundsätzlich verurteilt. Im Alten Testament wird die gleichzeitige Verheiratung von Männern mit mehreren Frauen als etwas Normales betrachtet, obwohl es Probleme gab, wenn die Frauen sich nicht miteinander vertrugen. In bestimmten Fällen wie der Leviratsehe war es sogar vorgeschrieben. Jesus Christus hat die Polygamie weder verurteilt noch befürwortet. In den Apostelbriefen wird für Bischöfe und Älteste die Ehe mit nur einer Frau gefordert. Die frühe katholische Kirche hat das römisch-hellenistische Verständnis einer monogamen ehelichen Beziehung übernommen und die Polygamie als objektiv naturrechtswidrig betrachtet.

Die Mehrfachehe ist eine Art der Polygamie, die von Joseph Smith und einigen seiner Anhänger gelebt wurde und von Brigham Young zunehmend auch anderen Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage nahegelegt wurde. Sie wurde 1890 von der mormonischen Hauptkirche abgeschafft, besteht jedoch in einigen kleinen fundamentalistischen Mormonengruppen weiterhin.

Nach dem islamischen Recht wird die Polygynie als erlaubt angesehen, jedoch ist die maximale Zahl der Ehefrauen auf vier beschränkt. Der Mann muss jeder seiner Ehefrauen einen eigenen Haushalt und eigenes Vermögen einrichten und eine Mitgift geben. Oft pflegen die Frauen keinen engen Kontakt untereinander und leben getrennt in eigenen Wohnungen. Es gibt auch gesetzliche Regelungen, die Männern, die nicht jeder Frau einen eigenen Haushalt einrichten können, die Polygamie untersagen. Diese Regelungen basieren auf Sure 4:3, die sich auf die Vermählung mit Waisen bezieht und besagt, dass Männer, die befürchten, Waisen, die sie zur Frau nehmen möchten, nicht gerecht behandeln zu können, sich andere Frauen nehmen können.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert sprachen sich verschiedene muslimische Frauenrechtler gegen die Polygamie aus. Der Ägypter Qāsim Amīn argumentierte, dass der Koran die Polygamie eigentlich verbietet und berief sich auf Sure 4:129. Er schlussfolgerte, dass eine Mehrehe nur in wenigen, besonders außergewöhnlichen Situationen erlaubt sei. Im Osmanischen Reich veröffentlichte die Schriftstellerin Fatma Aliye ihr Werk Taʿaddüd-i Zevcat Ẕeyl, in dem sie ihren Protest gegen die Polygamie zum Ausdruck brachte. Mit der Familienrechtsverordnung von 1917 wurde die Polygamie im Osmanischen Reich eingeschränkt.

Die Polygamie im Islam ist am bekanntesten durch den ehemaligen saudischen König Abd al-Aziz ibn Saud, der vermutlich 3000 Frauen in seinem Harem hatte, einschließlich Ehefrauen, Konkubinen, Töchter und Sklavinnen. Die Praxis der Mehrehe wird hauptsächlich in Westafrika und einigen arabischen Staaten unter Muslimen ausgeübt, während sie in anderen Regionen, die vom Islam dominiert werden, weniger häufig vorkommt.

Die Polygamie war im aschkenasischen Judentum bis etwa 1000 erlaubt, danach legte ein einflussreicher Rabbiner Gerschom ben Jehuda in einem Gutachten fest, dass polygame Ehen nur mit Zustimmung von 100 Rabbinern geschlossen werden dürfen, was in der Praxis einem Verbot gleichkam. Im sephardischen und orientalischen Judentum war sie bis ins 20. Jahrhundert üblich, aber heute ist sie sowohl in westlichen Ländern als auch in Israel verboten. In keiner bekannten orthodoxen Strömung der aschkenasischen Juden wird die Polygamie heute gerechtfertigt oder praktiziert, auch unter den Anhängern der Schas-Bewegung und Lubawitscher Rebbe Menachem Mendel Schneerson.

Im Hinduismus ist Polygamie nicht erlaubt und wurde mit dem Hindu Marriage Act von 1955 explizit verboten. Früher war es unter bestimmten Umständen erlaubt, wenn die erste Frau keine Söhne gebar. Polyandrie gab es lokal, besonders unter den Nayars im südindischen Bundesstaat Kerala und in Kinnaur im Vorhimalaya. Der Buddhismus hat verschiedene Ausprägungen und passt sich in westlichen Ländern an die Kultur an. Allgemeine Aussagen zur Polygamie sind nicht bekannt. In der alten buddhistischen tibetischen Kultur war sowohl die Polygynie als auch die Polyandrie toleriert und wird manchmal noch praktiziert. Aus ethischer Sicht des Buddhismus ist es wichtig, dass eine Beziehung von allen Seiten freiwillig eingegangen wird, oft aufgrund wirtschaftlicher Notwendigkeiten.